DigiKAR Prototyp

Prototyp für eine moderne Geschichtskartographie des Alten Reiches

Dieser Prototyp eines Visualisierungstools ist aus dem Projekt „Digitale Kartenwerkstatt Altes Reich“ (DigiKAR) hervorgegangen. Das Projekt hatte zum Ziel, traditionelle Ansätze der Geschichtskartographie zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation (oder „Alten Reich“) in der Frühen Neuzeit zu überwinden.

Explorativ erkundet werden sollten stattdessen mit den Mitteln der webbasierten Kartographie die Möglichkeiten einer punktbasierten Visualisierung mit dem Schwerpunkt auf zwei Bereiche: (1) die plurale Verteilung von Herrschaftsrechten in und zwischen den Territorien des Alten Reichs und (2) Formen der Mobilität innerhalb und zwischen verschiedenen territorialen Räumen.

Der Prototyp richtet sich nicht an die allgemeine Öffentlichkeit, sondern ist für die fachinterne Diskussion zwischen Historikerinnen und Historikern, Informationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie Kartographinnen und Kartographen bestimmt. Er stellt kein abgeschlossenes Arbeitsergebnis dar, sondern befindet sich weiterhin in Entwicklung und kann daher Fehler („Bugs“) enthalten.

Plurale Verteilung von Herrschaftsrechten

Das Alte Reich war, wie andere frühneuzeitliche Herrschaftsräume auch, durch eine Vielzahl verteilter und geteilter Herrschaftsrechte gekennzeichnet. Es war weder ein Nationalstaat noch eine zentralistisch organisierte Monarchie, in der alle Rechte und Privilegien auf ein souveränes Machtzentrum zuliefen. Diese komplexe Ordnung ließ sich mit den herkömmlichen Mitteln der Geschichtskartographie, die sich vor allem grafischer Mittel wie Flächen und Linien bediente, nur schwer darstellen. Denn viele Herrschaftsrechte reichten über die Grenzen der einzelnen Territorien der Reichsstände hinaus. Ein Untertan konnte im Alten Reich viele Herren haben – und ein Herr Untertanen auch in Gebieten, in denen eigentlich ein anderer Potentat herrschte. Das lag am Mit- und Nebeneinander vieler Herrschaftsrechte, die zwar nicht alle das gleiche Gewicht hatten, von denen aber keines alle anderen dominierte oder umfasste. Das Visualisierungstool von DigiKAR versucht, diese komplexe Verteilung von Herrschaftsrechten anhand ausgewählter Rechte und Beispielregionen exemplarisch darzustellen.

Formen der Mobilität innerhalb und zwischen verschiedenen territorialen Räumen

Die vorliegenden Visualisierungen nähern sich der komplexen Raumstruktur des Alten Reiches über einen (kollektiv-)biographischen Ansatz. Untersucht werden hier Mobilität und multiple Zugehörigkeiten kurmainzischer Funktionsträger. „Mobilität“ wird dabei maßgeblich als „biographische Mobilität“ verstanden, die sich auf unterschiedliche Verortungen von Personen in verschiedenen Lebensphasen hinweg bezieht und etwa von Formen der alltäglichen Mobilität abzugrenzen ist. Im Fokus der Fallstudie stehen also v.a. ortsbezogene Aspekte biographischer Praktiken potenziell mobiler Akteure und was sie über räumliche Strukturen und Grenzvorstellungen aussagen. Gefragt wird etwa nach Karrieremustern und Zusammenhängen zwischen biographischen Verortungen und (gleich- sowie ungleichzeitigen) Zugehörigkeiten zu verschiedenen politischen, rechtlichen und sozialen Kreisen, ferner zu Faktoren wie sozialer und geographischer Herkunft und Ausbildung.

Wichtig!
Alle für den Prototyp verwendeten historischen Daten wurden mit großer Sorgfalt erhoben und verarbeitet. Die Datenerfassung diente jedoch nicht dazu, in jeder Hinsicht inhaltlich zuverlässige Visualisierungen zu produzieren. Dem explorativen Anliegen von DigiKAR entsprechend war das Ziel vielmehr, die Möglichkeiten einer punktbasierten Darstellung auszuloten. Deshalb können fehlerhafte Daten nicht ausgeschlossen werden; zum Teil wurde auch mit hypothetischen Daten gearbeitet. In der vorliegenden Form ist das Visualisierungstool deshalb nicht als Instrument historischer Forschung zu nutzen. Bitte kontaktieren Sie bei Rückfragen die Mitglieder des Forschungsteams.

Den Quellcode des Prototyps finden Sie auf github.

Allgemeine Hinweise zur Bedienung

Das Visualisierungstool ist in zwei große Bereiche mit mehreren Visualisierungen aufgeteilt, die Sie links oben auf dieser Seite unter „Rechte“ und „Mobilität“ erreichen:

  1. Der Teil „Rechte“ präsentiert Visualisierungen zur pluralen Verteilung von Herrschaftsrechten im Alten Reich mithilfe einer spezifischen, im Rahmen von DigiKAR entwickelten grafischen Figur („Schneeflocke”). Er unterteilt sich in zwei Karten:
    • „Rechteverteilung im Alten Reich auf Ortsebene“: Die Visualisierung präsentiert die Verteilung von Herrschaftsrechten auf der Basis von einzelnen Orten (Gemeinden). Derzeit sind zwei Beispielregionen integriert: Teile von Kursachsen und der Altlandkreis Ansbach (Franken).
    • „Rechteverteilung auf der Ebene der Anwesen”: Die Visualisierung ist lediglich ein erster Versuch, die Darstellung auf Ortsebene durch eine Darstellung auf Anwesenebene innerhalb eines Ortes zu ergänzen. Sie bedarf bis zu einer ausgereiften Lösung weiterer Überlegungen.
  2. Der Teil „Mobilität“ präsentiert auf der Basis von historischen Daten zum Kurfürstentum Mainz Visualisierungen zur biographischen Mobilität in verschiedenen Teilaspekten:
    • geographische Herkunft von Studenten der Universität Mainz,
    • biographische Mobilität Kurmainzer Amtsträger,
    • Studienorte von Professoren der Mainzer Universität,
    • Verbindungen zwischen Geburts- und Sterbeorten von Kurmainzer Amtsträgern,
    • Institutionen Kurmainzer Orten und dort ausgeübte Funktionen von Amtsträgern
    • Verteilung von Geburts- und Todesereignissen.

Detailliertere Anleitungen zur Nutzung der Bereiche und ihrer Karten finden Sie, indem Sie im Auswahlfeld die grau unterlegte Fläche anklicken.

Über DigiKar

DigiKAR war ein Kooperationsprojekt des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte Mainz, des Leibniz-Instituts für Länderkunde Leipzig, des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung Regensburg, der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und der École des Hautes Études en Sciences Sociales Paris, Frankreich. Das Vorhaben wurde 2021–2024 im Rahmen des Programms „Leibniz-Kooperative Exzellenz“ von der Leibniz-Gemeinschaft gefördert.

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